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Straßentheater beim Lagerleben 14./15.07.23

Ein Leiterwagen, voll bepackt mit Burgkulissen, Schwertern und Requisiten aller Art, diente heuer den beiden Schauspielensembles des Theatervereins Burgspiele Kemnat e. V. als wichtigstes Utensil, um bei strahlendem Sonnenschein von einem Aufführungsort zum anderen zu gelangen. Von Musikanten (Ingrid Böll-Roberts, Andreas Böhme und Willi Geiß) und einem Tross kleiner und großer Helfer flankiert, zogen die Darsteller mit Regisseur Hannes Höbel jubelnd durch die Straßen, um vor dem Lager der Kemnater Vereine, im Martinshof und vor dem Crescentiakloster vier Mal pro Abend das begeisterte Publikum mit ihren Künsten ins finstere Mittelalter zu versetzen. Stimmgewaltig mussten sie sein inmitten des Trubels beim Lagerleben zwischen vorbeiziehenden Fanfarenzügen und Trommlercorps. Doch ganz gemäß ihrer mittelalterlichen Vorgänger meisterten sie ihre Sache sehr gut.


Am Freitag fegten die stolzen Ritterfräulein Theodorine (Andrea Murk), Friederike (Margot Neher) und Dietlinde (Susi Kohrn) über die Bühne, die ihren armen, devoten Diener Balduin (Helmut Götz) derart herumscheuchen, dass er das Zeitliche segnet. Um die „Versorgungslücke“ zu füllen, lassen die forschen Burgherrinnen keine Zeit vergehen und schnappen sich beim Lagerleben den nächsten Jüngling (Armin Demmler), der sie umsorgen soll. Doch die drei haben die Rechnung ohne ihr vermeintliches „Opfer“ gemacht, das flugs den Spieß umdreht und die eifersüchtigen Schwestern gegeneinander aufbringt, in der Hoffnung, dass sie sich an die Gurgel gehen, und er danach die Burg und alle Besitztümer erben kann. Aber da spielen die Burgfräulein nicht mit und durchkreuzen die Drehbuchvorgaben: Als Pfarrerin der Dreifaltigkeitskirche veranstalten sie fortan Aperol-Spritz-Gottesdienste, übernehmen als „Boss“in das Ruder der Stadt Buron und etablieren sich als Kaiserin beim Tänzelfest. Die Ankündigung des Erzählers (Markus Schindele), der einen „düst´ren Schluss“ prophezeite, bewahrheitete sich also nicht, was den zahlreichen, gut gelaunten Zuschauern jedoch sehr Recht war.


Am Samstag gab sich der Theaterverein auf dieselbe Weise mit dem fatalistisch-komischen Stück „Die Mär von Minne und Mord“ die Ehre. Während der schlaue Hofnarr (Rhys Barthram) das Publikum über die Vorgeschichte aufklärte, wie der edle Ritter Kunischwert (Benjamin Sandler) mit dem treuen Knappen aus dem Geschlecht derer zu Wasserlappen (Georg Schindele) bereits fünf Jahre im Heiligen Land gegen die Ungläubigen kämpfte, auch wenn er wenig ruhmreich mehr Zeit im Harem oder im Lazarett als auf dem Schlachtfeld verbrachte, vergoss die alleingelassene junge Gemahlin Kunilinde (Lucia Schindele) jeden Tag fünf bittere Tränchen aus Einsamkeit und Sorge. Obwohl die wachsame Schwiegermutter Kuniglucke (Sophia Bartenschlager) sie nicht aus den Augen lässt, gelingt es dem draufgängerischen Minnesänger (Philipp Höbel), das Herz (und den Keuschheitsgürtel!) der vernachlässigten Schlossherrin zu knacken. Vom heimkehrenden Ritter auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt, kommt es zum finalen Gemetzel, bei dem nach und nach aus verletzter Ehre, Schuld, Schmach, Verantwortungsbewusstsein und Liebeskummer alle Schlossbewohner, bis auf den Narren, den Tod finden. Doch wie dieser treffend betonte, wären solche Dünkel heutzutage sicher nicht mehr möglich, denn „wie war das Mittelalter finster, finster, finster!“ Dem langanhaltenden Gelächter und Applaus der Umstehenden zu entnehmen, sahen sie das wohl anders.


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